Vorwärts in die Vergangenheit


Die Pfalz ist reich an Geschichte und Geschichten. Wer sich am Hambacher Schloss und der Burg Trifels auf sie einlässt, überschreitet durch das Verschmelzen von Realität und Virtualität die Grenzen zwischen Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft.

Text von: Michael Dostal

Plötzlich ist man mittendrin. Man hört ein lebendiges Gewirr von Stimmen. Singende Menschen ziehen vorbei und Fahnen flattern im Wind.

An verschiedenen Positionen hinauf zum Hambacher Schloss sieht man freistehend auf dem Weg oder am Himmel Videos, Bilder oder Texte, wie die Menschen 1832 zum Hambacher Fest ziehen. Möglich machen wird dies schon bald der neue virtuelle Stationenweg, auf dem an sechs Punkten durch modernste Technologie die Grenze zwischen Realität und Virtualität überwunden wird. „Technisch richten wir den Blick immer in die Zukunft, inhaltlich in die Vergangenheit“, beschreibt Peter Hartung von Screenday Productions in Neustadt an der Weinstraße die besondere Faszination des Projektes. Für den eingangs beschriebenen Effekt sorgen Filme und 3D-Sound, der nicht nur – wie bei Stereoaufnahmen – von rechts und links, sondern auch von oben, unten und hinten kommt. Zusätzlich werden die Audioeffekte durch die Position auf dem Weg so platziert, wie man sich bewegt. Der dabei entstehende Audiomix sorgt über den Kopfhörer dafür, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird. Immersion wird dieser Effekt, den man auch aus Computerspielen kennt, von den Fachleuten genannt.

In Neustadt fällt dies umso leichter, weil es ja tatsächlich auf dem historischen Freiheitsweg rund zweieinhalb Kilometer von Hambach hinauf zum Schloss geht. Für die Strecke sollte man gut eineinhalb Stunden Zeit einplanen, denn an jeder der insgesamt sechs Stationen wird man – begleitet von einer historischen Person, die wie aus dem Nichts erscheint und uns in der Gegenwart und Vergangenheit begegnet –tief in die Geschichte eintauchen. Jeweils rund fünf- bis zehnminütige Inszenierungen mit der Person, Ambient-Sounds, Bildern, Animationen und Sprechern lassen die Historie mittels Augmented Reality („erweiterte Realität“) lebendig werden. Parallel geben sie durch das Darstellen der Beweggründe und Errungenschaften des Hambacher Festes als Mixed-Reality-Erlebnis Anstöße, sich mit demokratischen Grundwerten auseinanderzusetzen. Es geht ums Verständnis von Demokratie, um Freiheit, Europa, Vielfalt und Bürgerrechte. Auf historischem Boden richtet sich so der Blick in die Zukunft, denn diese lässt sich bekanntlich einfacher und besser gestalten, wenn man dabei auch die Vergangenheit berücksichtigt. 

An mindestens sechs Stationen sollen auf der historischen Zugstrecke des Hambacher Fests mittels Video, Bildern, Texten und Augmented-Reality-Elementen realitätsnahe Eindrücke von damals vermittelt werden. Zum Beispiel durch eine historische Persönlichkeit.

Noch tiefer in die Vergangenheit eintauchen kann man an der Reichsburg Trifels, die zwischen 1088 und 1330 unter den Staufern und Saliern eines der wichtigsten Machtzentren war. Die imposante Burg, auf der Richard Löwenherz, der berühmte englische König, prominenter Gefangener gewesen ist, überragt die Stadt Annweiler und prägt damit die ganze Region.

Neueste Augmented Reality-Animationen sowie Video- und Audio-Elemente erweitern hier seit kurzem die Entdeckungstour auf dem rund 3,6 Kilometer langen TrifelsErlebnisWeg zu einer spannenden Zeitreise. 360-Grad-Aufnahmen der Eußerthaler Zisterzienserkirche, des Museums unterm Trifels in Annweiler oder des Kaisersaals der Burg Trifels schaffen eine besondere Verbindung zwischen damals und heute, zwischen Geschichte und Wandererlebnis. Insgesamt sind es 18 digitale und reale Stationen sowie eine Kartenfunktion mit Wegverlauf, die hier über die neue SÜW-Erlebnis-App das Wandern zusätzlich attraktiv machen. „Wir haben mit den analogen Informationen zum einen bewusst auch diejenigen im Blick, die wandern gehen, um zur Ruhe zu kommen. Und das digitale Angebot motiviert zum anderen nicht nur Kinder“, erläutert Christina Abele, Geschäftsführerin des Büros für Tourismus Südliche Weinstrasse Annweiler am Trifels e.V., den Hintergrund für die zweigleisige Ausrichtung des Erlebnisweges.

Rund zwei Jahre hat es gedauert, bis Clara und Johann, zwei Geschwister aus Annweiler, als digitale Begleiter bereitstanden. Sie ermöglichen, so Christina Abele, „ein tiefes, lebendiges Eintauchen ohne Gästeführung“. Die Texte zum Lesen und Hören gibt es in einer Version für Kinder und Erwachsene. Der TrifelsErlebnisWeg (Markierung: Mönchsweg) kann in ein- bis eineinhalb Stunden von der Stadt – Startpunkt ist an der Tourist-Information – zur Burg oder umgekehrt gegangen werden. Für den Rückweg bietet sich eine Busfahrt an, die im Stundentakt möglich ist. Außerdem lässt sich eine Kombination mit dem Annweilerer Burgenweg planen, was die Strecke dann zur Rundtour mit rund 7,5 Kilometern macht. Neben dem Trifels erkundet man so zusätzlich die beiden Schwesterruinen Anebos und Scharfenberg (Münz).

Zurück auf den TrifelsErlebnisWeg: Ein Quiz in der App und auf den Tafeln längs des Weges sorgen – mit Blick auf eine Belohnung für richtige Antworten – für zusätzlichen Anreiz, sich Wissen rund um die Burg Trifels anzueignen. Und nicht zuletzt wird das Erlebnis ganz konkret, wenn unter anderem eine Kletterwand und eine Wackelbrücke zum Verweilen und Spielen einladen. Mit etwas Fantasie fühlt man sich dabei wie ein Ritter im Mittelalter, der die Burg erstürmen will. Plötzlich ist man – einmal mehr – mittendrin