Wein & Gemüse


Manuela Rüther kochte nach dem Abitur in verschiedenen Sterneküchen, eine ihrer Stationen: Das Hotel Restaurant „Krone“ in Herxheim- Hayna. Mittlerweile ist sie als selbstständige Fotografin und Autorin tätig. Ihre Bilder, Geschichten und Rezepte erscheinen regelmäßig in Magazinen und Büchern sowie in ihrem Blog und nicht zuletzt in ihren zahlreichen Kochbüchern. ~ elaruether.de

Sebastian Bordthäuser hat Germanistik studiert, entschied sich letztlich aber doch für die Flasche. Nach zahlreichen Stationen in der Gastronomie ist Bordthäuser nun dozierend, verkostend und schreibend für diverse Zeitungen und Zeitschriften unterwegs. Sein Interessenschwerpunkt ist die „Harmonie von Speisen und Wein”, die er unterhaltsam wie fundiert zu vermitteln mag. ~ bordthaeuser.com

 

Beide zusammen waren unterwegs an der Deutschen Weinstraße. Ihre Mission: Wein und Gemüse

Wein & Gemüse sind nicht zwingend das Erste, was einem bei der Pfalz in den Sinn kommt. Obwohl sie untrennbar mit Wein verbunden ist, denken wir neben Riesling, Spätburgunder & Co. eher an  deftige Genüsse wie Leberwurst, Blutwurst und natürlich Pfälzer Saumagen. Doch die Pfälzer Vielfalt erschöpft sich nicht allein in der Kombination von Wurst und Wein: Wein & Gemüse ist aktueller denn je. Die Pfalz als traditionelles, landwirtschaftliches Mischgebiet ist Produzent erstklassiger Gemüse, überwiegend sogar in Freiland-Kultur. Grund genug, ein langes Wochenende vor Ort zu planen. Wir wollten schauen, wie junge Betriebe heute arbeiten, wo das Gemüse angebaut wird und welche Menschen und Philosophien dahinter stecken. Und natürlich wollen wir von allem kosten und unser Buch Wein & Gemüse im Praxis-Test mit Pfälzer Produkten vor Ort erproben. 

Der erste Termin führt uns direkt auf den Wochenmarkt. Der Landauer Markt ist die reine Augenweide und bietet alles, was das Herz begehrt. Die Blumenhändler an ihren farbenfrohen, duftenden Ständen bieten neben Schnitt- und Topfblumen auch vorgezogene Küchenkräuter von Dill bis Thai-Basilikum an. An den Gemüseständen versucht man sich gegenseitig mit üppigen Auslagen zu übertrumpfen, so reichhaltig und lustvoll arrangiert sind die Waren, mit stillem Stolz und dem Wissen um deren Güte präsentiert. Der Markt als Spiegel einer Region verrät schnell: Hier lässt es sich ausgezeichnet leben. Und die angebotenen Gemüse übertreffen die fleischlichen Genüsse um Längen. Wir füllen unseren Korb mit dem ersten Spargel, Himbeeren, jungem Blumenkohl, Gurken und frischen Kräutern für den geplanten, großen Kochevent. Nur der Wein fehlt, also machen wir uns auf zum zweiten Termin in Billigheim-Ingenheim, zum Weingut Bietighöfer.


Dort werden wir bereits von Stefan Bietighöfer und seinem Kollegen Stefan Dorst erwartet, die im schattigen Hof die Verkostung vorbereitet haben. Zum Apero probieren wir einen Schluck Merwut, einen Wermut von Stefan Dorst, und sofort schwingt das Pendel deutlich langsamer als auf dem quirligen Wochenmarkt. Während wir uns durch die Weine schmecken, erzählt Bietighöfer vom gestern, heute und morgen des Betriebes. Qualität, so hört man es oft, beginne im Weinberg. Bietighöfer geht noch einen Schritt weiter und beginnt bei den Böden. Da in Billigheim sandige und lehmige Böden überwiegen, konzentriert er sich auf die Burgunder-Rebsorten statt auf Riesling. Seine Weine sind klar und fokussiert, die Frucht ist ohne Zierrat doch mit spürbarem Herkunftscharakter herausgearbeitet. Auch der Holzeinsatz ist vorbildlich und überschminkt die Weine nicht. Insbesondere Spätburgunder verzeihen zu viel Holz ganz schlecht, erklärt Bietighöfer und ist entsprechend behutsam beim Ausbau. Als Blindprobe kosten wir von einem Projekt von Stefan Dorst und Stefan Bietighöfer, das unter dem Namen „Dorst & Consorten“ vertrieben wird. Eine Hommage an einen vergessenen Weinstil aufgelegt: den großen, weißen Bordeaux. Dieser Wein aus Sauvignon blanc stellt qualitativ wie preislich Vieles in den Schatten, was derzeit auf dem Markt ist. Für alle, denen das zu kostspielig ist, plant Bietighöfer für nächstes Jahr bereits den nächsten Coup: Einen günstigen, qualitativ hochwertigen Wein in der Literflasche mit dem Namen Billigheimer. Wir packen eine Flasche Spätburgunder und einen Weißburgunder für unseren Kochevent ein, bevor wir zum nächsten Termin aufbrechen.

Das Traditionsweingut Fitz-Schneider in Edenkoben erwartet uns mit einem royalen Empfang. Über dreihundert Jahre betreibt die Familie bereits Weinbau und hat sage und schreibe fünf Weinhoheiten zu verzeichnen. Christine Schneider, ehemalige Weinprinzessin der Südlichen Weinstraße und jüngste Tochter der Familie, heißt uns willkommen. Nach beendeter Ausbildung zur Weinbautechnikerin übernahm sie 2013 den Betrieb und ist seither verantwortlich für den Keller, während Vater Ludwig den Außenbetrieb leitet. Neben dem Weinbau betreiben sie ein Gästehaus und inmitten der Weinberge und üppiger Blumenrabatten einen kleinen Stellplatz für Wohnmobile. Die Liebe zum Wein ist Christine Schneider anzusehen, als wir die Weine verkosten und sie über den Betrieb erzählt, der über die Jahre Stück für Stück gewachsen ist. Aktuell ist sie Mitglied der „Jungen Südpfalz“, einer Vereinigung von Jungwinzern, aus deren Reihen eine Jury Jahr für Jahr die besten Produzenten mittels Blindverkostung ermittelt. Wir erweitern den Rebsortenspiegel für unser Kochevent und munitionieren uns auf mit Sauvignon blanc und Silvaner.

Wein und Gemüse

Hunger? Durst? 60 Gemüse-Rezepte und kistenweise Wein in einem Buch! Kluge Leute machen sich Gedanken um Wein zum Fisch, Wein zum Schwein oder Wein zur Himbeersahnetorte… Doch Wein zum Gemüse? Schweigen! Das ändert dieses Buch! Erschienen 2017 im Fackelträger Verlag GmbH, ISBN: 978-3-7716-4687-5, Preis: 30,- €

Übrigens... 2018 wurde "Wein & Gemüse" mit der Silbermedaille der Gastronomischen Akademie Deutschland e.V. ausgezeichnet *GLÜCKWUNSCH*

Wochenmärkte an der Deutschen Weinstraße

  • Grünstadt: Samstag, 7–13 Uhr
  • Bad Dürkheim: Mittwoch und Samstag, 6.30–13 Uhr (April bis Oktober: jeweils am 1. Samstag Marktfrühstück mit Livemusik)
  • Haßloch: Samstag, 7–12 Uhr
  • Neustadt: Dienstag und Samstag, 7–14 Uhr (April bis Oktober: auch Donnerstag)
  • Edenkoben: Mittwoch, 8–13 Uhr
  • Landau: Dienstag und Samstag, 7–14 Uhr
  • Annweiler: Freitag 8–12 Uhr
  • Bad Bergzabern: Dienstag und Freitag 8–13 Uhr

Der Selbstversuch

Natürlich haben Manuela Rüther und Sebastian Bordthäuser nicht nur Wein verkostet und Gemüse gekauft. In der Küche des Hofgut Ruppertsberg wurde geschnippelt, gekocht, gegessen und getrunken. Wein und Gemüse satt!

Die getesteten Rezepte aus "Wein & Gemüse" und viele weitere Pfälzer Köstlichkeiten findet ihr hier

Gemüse - wo und wann?

Am besten kaufen Sie Pfälzer Gemüse immer frisch und zwar direkt beim Bauern, in einem der unzähligen Hofläden in der Region.

Unsere Hofläden an der Deutschen Weinstraße

Übrigens, falls Sie sich fragen sollten, welches Gemüse wann Saison hat, bei Demeter e.V. finden Sie den passenden Saisonkalender.

Der Weg zum Weingut...

... ist an der Deutschen Weinstraße niemals weit!

Hier finden Sie ein Vielzahl unsere Weinmacher!

 

Am nächsten Morgen werden wir auf dem Neuhof in Altleiningen erwartet. Annette Goyert ist dort für die Gärtnerei verantwortlich. Auf eineinhalb Hektar wird ganzjährig Gemüse angebaut, 1.100 Quadratmeter unter Folie, der Rest im Freiland. Im Winter führt der Feldsalat sein frostiges Regiment, im Sommer wird die komplette Palette von Tomaten über Auberginen, Gurken, Bohnen, Zucchini und Paprika bespielt. Die Zertifizierung des gesamten Hofes nach Demeter-Richtlinien ist die höchste Eskalationstufe biologischer Landwirtschaft. Die Biodynamie setzt auf die Stärkung der Pflanzen und sieht sie in einem ganzheitlichen Umfeld, synthetische Dünger, Herbizide oder Pestizide sind nicht zugelassen und Schädlingen begegnet man mit Nützlingen, um das natürliche Gleichgewicht zu erhalten. Die Tomaten werden eigens mit einem eigenen Hummelvolk bestäubt.

Sieht man, mit wieviel Mühe und Hingabe hier Gemüse produziert wird, bekommt man direkt Lust zu kochen. Jedem, dem das Gemüse vom Neuhof im Vergleich zur billigen Discounterware kostspielig erscheint, wird nach einem Besuch deutlich, dass billig nicht das einzige Argument sein darf, wenn wir über Gemüse sprechen. Gemüse, das ist einer der zentralen Ansätze in unserem Buch, hat denselben Wert wie ein Steak. Eine Freilandtomate, deren Reifezeit nur knapp sechs Wochen beträgt und damit kürzer ist als die Spargelzeit, muss einen anderen Wert haben als Discounter Ware. Allein Anzucht und Wachstum sind zeitintensiver als die Mast eines billigen Hähnchens. Sprechen wir in unserem Buch von Gemüse, dann meinen wir langsam gewachsenes Gemüse von gesunden Böden. Wie beim Wein. Gleiches Recht für alle. Für Privatkunden ist der Neuhof auf den Wochenmärkten in Mannheim, in Grünstadt und in Limburgerhof zu finden. Ein kleiner Teil der Produktion ist in ausgewählten Naturkostläden erhältlich. Wir kaufen Kräuter und Pflücksalate für die Wein & Gemüse-Sause und machen uns auf den Weg nach Niederkirchen.

 

Im Weingut von Martin und Georg Fußer sind die Böden ebenfalls zentrales Thema. Seit Juni diesen Jahres sind sie Mitglied der Gruppe „Respekt“ und befinden sich in Umstellung auf biodynamische Bewirtschaftung nach deren Richtlinien. Gesunde Böden, autarke Reben und der Verzicht auf synthetischen Kunstdünger sind die Prämissen, nach denen Fußers Trauben reifen. Spezialisiert auf Riesling, Weißburgunder und Spätburgunder haben sie vor einigen Jahren noch etwas Sauvignon blanc mit ins Portfolio aufgenommen. Die Weine sind herkunftsbezogen klassifiziert: Vom Gutswein, der Visitenkarte jeden Weinguts, über die Ortsweine aus Deidesheim und Ruppertsberg, bis hin zum großen Lagenwein aus dem Reiterpfad sind sie jeweils authentisches Artefakt ihrer Herkunft gepaart mit der Philosophie des Abwartens und der Ruhe. 

 

Das Hofgut Ruppertsberg ist letzte Station und krönender Abschluss unserer Wein & Gemüse Tour durch die Pfalz. Chefkoch Moritz Knipser stellt uns seine Küche zur Verfügung um all die wunderbaren Produkte ihrer finalen Destination zuzuführen: Dem Test auf den Tellern unserer Gäste. Die beste Wein-Speisenkombination, soll herausgefunden und ausdiskutiert werden, denn über nichts sollte mehr gestritten werden als über guten Geschmack. Am besten bei einem Glas Wein und einer guten Mahlzeit.  

Während der Vorbereitungszeit hatten wir die Gelegenheit mit Bettina Bürklin-von Guradze über die Philosophie ihres Weinguts Dr. Bürklin-Wolf zu reden. Unser Eindruck, dass biologischer oder biodynamischer Weinbau derzeit das Thema sind, wurde dabei nicht bestätigt. Biodynamische Bewirtschaftung, so Bürklin-von Guradze, unterlag in den letzten Jahrzehnten einem klaren Wandel in der Wahrnehmung. Wurde man in den 80er Jahren noch als „Öko“ belächelt, zahlen sich die Bemühungen um gesunde Böden heute aus und sind inzwischen akzeptierte Methoden zur Qualitätssteigerung der Weine. Spitzengewächse wie die Grand Crus aus dem Forster Kirchenstück, Ungeheuer oder Pechstein haben sich in den letzten Jahren zu auch international enorm gesuchten Kreszenzen entwickelt, sodass Bürklin-Wolf deren Verfügbarkeit reglementieren musste. Frau Bürklin-von Guradzes Überzeugung führte letztlich auch zum Entschluss, die Gastronomie des Hofguts an Jean-Philippe Aiguier zu übertragen, der es seitdem als Bio-zertifiziertes Restaurant betreibt. Ein erfolgreicher Betrieb wie das Hofgut bestätigt damit all die Produzenten, die wir in den Tagen besucht haben, in ihrer Haltung und dem enormen Mehraufwand, um die Pfalz als Herkunft zu dem zu machen, was im Hofgut erlebbar gemacht wird.

Zurück in der Küche wird geschält, gegrillt und gekocht, bis unser Menü aus den Köstlichkeiten vom Landauer Markt und von Annette Goyert serviert wird: der Blumenkohl-Suppe mit brauner Butter und gerösteten, gesalzenen Haselnüssen folgen gegrillte Spargel, lauwarm mariniert mit Himbeer-Vinaigrette und Rucola, serviert mit Spargel-Stullen mit Ziegenkäse-Spargel-Aufstrich und Wildkräutern. Als kaltes Gericht gibt es Gurken-Salat mit den ersten Radieschen, Pflücksalat und Cous Cous. Dazu verkosten wir die Weine der besuchten Betriebe.

Und welche Kombination hat  gewonnen? Jeder hatte seinen eigenen Favoriten. Es ging uns auch nicht um eine finale Königskombination, sondern um den lustvollen Austausch am Tisch und die Konzentration auf den puren Geschmack des Produkts, dessen Herkunft und um die Menschen, die wir in den Tagen getroffen haben.

Gemüse rückt als Thema immer häufiger in den Fokus der ambitionierten Gastronomie. Zu Recht, denn es verlangt mehr Kreativität, als ein Stück Fleisch dem Garpunkt zuzuführen. Jedes Gemüse hat seine eigene Struktur, Textur und seinen eigenen Geschmack. Und endlich werden auch die passenden Weine dazu serviert. Wir sehen unser Buch als Beitrag zur Auseinandersetzung mit diesem Thema. Es war spannend zu sehen, wo unsere Gemüse herkommen und dass der Wert eines Produktes weit über seinen Nährwert und seinen Preis hinausgeht. Zu sehen, unter welchen Bedingungen produziert wird und die Lücke zu schließen zwischen Verbraucher und Produzent, statt anonym produzierte Waren aus dem Supermarkt-Regal in unsere Einkaufskörbe zu schaufeln. Und das Beste an allem: Saisonale Gemüseküche ist so preiswert, dass am Ende genug Geld übrig bleibt für eine zweite oder dritte Flasche Wein. Oder den nächsten Pfalz-Besuch.