Familienausflüge mit Axt und Säge: Weihnachtsbäume aus dem Pfälzerwald erfreuen sich immer größerer Beliebtheit
Text: Michael Dostal
„Nehmen wir den?“ „Nein, der ist nicht dicht genug!“ Ein kurzer Dialog am Samstag vor dem dritten Advent. Aufgeschnappt früh morgens im Wald bei Höningen (Landkreis Bad Dürkheim). Das Paar greift nach Beil und Säge und geht zielstrebig ein Stück weiter. Kurz darauf sie: „Ich finde den besser.“ Er pflichtet bei: „Der sieht aber gut aus.“ Wenige Minuten später tragen die beiden gemeinsam „ihre“ Fichte auf dem Waldweg in Richtung Parkplatz Langenthal. Dort steht Förster Markus Leuteneker an der Kasse. Nach dem Bezahlen wird noch das Transportnetz über den frisch geschlagenen Baum gezogen und dieser auf dem Dachgepäckträger des Autos verstaut. Jetzt kann das Fest kommen. Der gemütliche Teil beginnt gleich im Pfälzerwald. Mit würzigen Wildbratwürsten und dampfendem Glühwein am lodernden Lagerfeuer.
Selbst Weihnachtsbäume schlagen hat mittlerweile Tradition im Pfälzerwald. Immer mehr Menschen lieben das kleine Abenteuer in der Adventszeit. Für viele ist es der Anlass für einen ganz besonderen Familienausflug. Am Parkplatz Langenthal herrscht schon vor dem offiziellen Beginn um 10 Uhr reger Betrieb. Sie kommen in Autos mit Gepäckträgern oder Anhängern. Beile und Sägen, zum Teil sogar mit Motor, werden ausgeladen. Manche rücken in Truppenstärke an. Andere alleine oder als Paar. Und dann sind da noch viele Familien, die den Christbaum gemeinsam auswählen. „Die Kinder wollen sehen, wo der Baum herkommt“, erklärt ein Opa aus Ludwigshafen, der zusammen mit den beiden Enkeln und deren Vater angereist ist. Letzterer ergänzt: „Der Baum ist hier auch frischer und hält länger.“
Die Forstämter bieten in der Adventszeit zahlreiche Termine an. Vor Ort sind zudem bereits geschlagene und zugekaufte Bäume erhältlich. „Die beliebte Nordmanntanne wächst im Pfälzerwald nicht“, nennt Joachim Weirich vom Forstamt Bad Dürkheim einen der Gründe dafür. Außerdem brauchen die Bäume Zeit zum Wachsen. Mindestens zehn Jahre, um etwa zwei Meter groß zu werden. Die Faustregel zur Altersschätzung: pro Jahr wächst ein Kranz mit Ästen. Die wichtigste Maßnahme, die mit dafür sorgt, dass die Weihnachtsbäume groß genug werden, ist übrigens das Abzäunen der Kulturen. Nur so lassen sich Wildschweine davon abhalten, die Setzlinge mit viel Stärke in den Wurzeln zu fressen. Später verhindern die Zäune außerdem, dass Rehe, die das frische Grün der Knospen lieben, diese abknabbern.
Der Verkauf der Weihnachtsbäume ist kein Geschäft, sagt Joachim Weirich. „Für uns sind diese Termine aber eine Chance, unsere Inhalte zu transportieren, weil wir ins Gespräch kommen“, nennt er sie eine besondere Form der Öffentlichkeitsarbeit. Zudem erfülle man den Menschen ein Bedürfnis. Denn das Grün im weihnachtlichen Wohnzimmer, eine Tradition über viele Jahrzehnte, sei „ein Tröster und mache Mut, dass nach dem Winter die Vegetation wieder losgeht“. Wichtig ist Joachim Weirich der Hinweis, dass sich auch die Kiefer als Weihnachtsbaum eignet. Sie ist die am meisten verbreitete Baumart im Pfälzerwald. In den dortigen Kulturen wachsen ansonsten überwiegend Fichten und Tannen. Wie man diese unterscheidet? „Die Fichte sticht, die Tanne nicht“, erklärt Jochen Weirich.
Über 70 Prozent aller Weihnachtsbäume – in Deutschland werden pro Jahr rund 30 Millionen verkauft, davon knapp zwei Millionen in Rheinland-Pfalz – sind nach wie vor Nordmanntannen, die überwiegend aus landwirtschaftlichen Plantagen stammen. Ursprünglich sind diese in unseren Breiten gar nicht gewachsen, weshalb die Entscheidung für eine regionale Baumart wie Fichte, Kiefer oder Tanne, immer die bessere ist. Denn auch beim Weihnachtsbaum gilt, kurze Transportwege wirken sich positiv auf die Ökobilanz aus. Seit 2016 gibt es in Rheinland-Pfalz sogar Öko-Weihnachtsbäume, die mit einem „Forest Stewardship Council (FSC)-Siegel zertifiziert sind. Voraussetzung dafür ist ein sozial- und umweltverträglicher Anbau ohne Mineraldünger und Pestizide. Diese Weihnachtsbäume werden mit steigender Stückzahl nach und nach zu einer Alternative zu Bäumen aus riesigen Baumkulturen.
Schon heute sind die Blaufichten und Weißtannen aus dem Pfälzerwald bei Höningen eine Alternative. Selbst die zugekauften Christbäume, die hier angeboten werden, stammen aus Rheinland-Pfalz. Forstunternehmer Alois Hörl holt sie aus dem Hunsrück. Am Ende des Tages sind rund 200 Bäume verkauft – je 100 selbst geschlagene und angekaufte. „Die sind alle ganz neidisch auf unseren Baum“, meint ein kleiner Junge strahlend, der an der Packstation „seinen“ Baum nicht mehr aus den Augen lässt. Derweil gibt es einen kleinen Rückstau an der Kasse. Der frotzelnde Kommentar dazu: „Das ist ja fast wie beim Aldi an der Kasse.“ Die Atmosphäre im Pfälzerwald bei Höningen ist aber ansonsten eine völlig andere. Am weiter heimelig lodernden Lagerfeuer kommen die Besucher ins Gespräch. Sie drehen sich um den Schmuck der Christbäume, um Rezeptideen für die Feiertage oder um erholsame Winterwanderungen im Pfälzerwald. Und die Wildbratwürste und Glühwein munden nach getaner Arbeit ganz besonders gut.
Infos & Termine
Eine Übersicht über die Termine zum Weihnachtsbaumschlagen und -verkauf im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen finden Sie ab Dezember auf der Website des Forstamtes Haardt.