Quelle(n) der Erkenntnis


Wasser statt Wein: Die Pfalz ist reich an überraschenden Geschichten. So weht mitten in der Rebenlandschaft eine frische Meeresbrise. Oder vom Menschen geschaffene und erhaltene landwirtschaftliche Wiesenflächen präsentieren sich als wahres Paradies für Störche.
(Text: Michael Dostal)

Wasser sorgt ober- und unterirdisch dafür, dass die Pfalz mit weit mehr als Wein punkten kann. Zwei Beispiele: Die Salzgewinnung in Bad Dürkheim geht zurück bis auf die Kelten. Seit 2011 wird es als "Dürkheimer Gold" wieder in Handarbeit hergestellt. Die traditionelle Bewässerung der Queichwiesen in der Südpfalz zwischen Landau und Germersheim sorgt für eine arten- und strukturreiche Kulturlandschaft. Im Dezember 2018 ist diese von der deutschen UNESCO-Kommission ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen worden. Beides verdeutlicht, dass das Eintauchen in die Geschichte eine Quelle der Erkenntnis ist.

Mit rund 350 Hektar Fläche sind die Queichwiesen heute das größte zusammenhängende und noch aktiv betriebene Wiesenbewässerungssystem in Deutschland. Wiesen längs der Queich, einem Nebenfluss des Rheins, werden allein mit Hilfe der Schwerkraft unter Nutzung des natürlichen Gefälles mit Wasser versorgt. An einem interaktiven Modell im rheinland-pfälzischen Storchenzentrum in Bornheim (Landkreis Südliche Weinstraße) erläutert Pirmin Hilsendegen bei Führungen die traditionelle Bewässerungstechnik, bevor es hinaus in die Natur geht. Er ist Koordinator und Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) Queichwiesen.

"Die Wiesenbewässerung ist ein Musterbeispiel menschlicher Kooperation. Neben verlässlicher Zusammenarbeit und guter Organisation braucht man umfangreiches Wissen zur Nutzung der knappen Ressource Wasser", betont Hilsendegen. Die IG, ein Zusammenschluss von Landwirten, Naturschützern und Kommunen, kümmert sich seit über 20 Jahren um den Erhalt und die regelmäßige Nutzung des Bewässerungssystems. Die traditionelle Bewässerung selbst ist bis in die Jungsteinzeit zurückzuverfolgen. In Deutschland war sie als Wiesenbewässerung bis Mitte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet. Im Deutschen Reich umfasste sie 1930 noch rund 300.000 Hektar Fläche.

Die Queichwiesen bei Landau, Offenbach, Hochstadt, Ottersheim, Knittelsheim, Bellheim und Zeiskam werden - in der Regel im Frühjahr und im Sommer - von Westen nach Osten nach einem ausgeklügelten System bewässert. Die Wehre und Schließen, mit denen das Wasser in der Queich und in den Bewässerungsgräben gestaut und geleitet wird, stammen zum Teil noch aus dem 17. Jahrhundert. Ein bis drei Tage dauert die Bewässerung einzelner Flächen. "So entsteht eine Art Mosaikstruktur, von der Naturschutz und Landwirtschaft gleichermaßen profitieren", erklärt Hilsendegen. Die Queichwiesen sind damit so etwas wie das verbindende Element zwischen der Weinstraße und den Rheinauen.

 

 

Trotz weitgehendem Verzicht auf Düngung erzielen die Bauern in den Queichwiesen einen guten Heuertrag, was das eigentliche Ziel der landwirtschaftlichen Maßnahme ist. Parallel wird eine charakteristische Flora und Fauna erhalten, die mittlerweile im Sommer die Basis für ein Naturspektakel ist. Vor ihrem Wegzug nach Süden versammeln sich hier bis zu 400 Störche. Doch auch sonst gehört der Storch längs der Queich einfach mit dazu. Erste Tiere kommen schon im Februar. Nach zwei bis drei Wochen beginnen sie zu brüten. Die Jungtiere, die so genannten Nestlinge, sind nach acht bis neun Wochen flugreif. "Ein Storchpaar mit vier Jungen im Nest benötigt zeitweise mehr als sechs Kilo Futter am Tag", erläutert Hilsendegen. Dies erklärt, warum die Störche den mit Käfern, Heuschrecken, Würmern oder Mäusen reichlich "gedeckten Tisch" der Queichwiesen schätzen. So ist es keine Seltenheit, dass bis zu 50 Störche hinter einem Traktor herziehen, der Wiesen mäht.

Diese Schauspiele in der Natur und die Aufnahme in das Kulturerbe-Verzeichnis sorgen für steigendes Interesse an den Queichwiesen und ihrer traditionellen Bewirtschaftung. Seit 2019 organisiert die IG deshalb im Sommer mehrere Führungen zur Wiesenbewässerung mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten. "Dieser angeleitete Tourismus ist nicht nur spannend, sondern er schafft auch Interesse an Naturkunde und Nachhaltigkeit", hebt Hilsendegen erfreut hervor.

 

 

 

Wasser sorgt auch in Bad Dürkheim für Erlebnisse und ist gleichzeitig Quelle der Erkenntnis. Wer dort inmitten der Weinlandschaft eine frische Meeresbrise einatmet, hat dies einer langen Tradition zu verdanken. Der Gradierbau, vielfach auch Saline genannt, ist heute quasi das Symbol des Kurbetriebes. Rund 230.000 Reisigbündel verrieseln die Bad Dürkheimer Sole, die aus der Neuen Maxquelle aus 350 Metern Tiefe stammt. Beim Herabrieseln verdunstet Wasser und der ursprünglich schwache Salzgehalt von rund zwei Prozent wird auf bis zu 20 Prozent gesteigert. Ein Spaziergang rund um den 333 Meter langen Gradierbau aus Holz und Sandstein, an den sich der Kurpark mit der sprudelnden Isenach anschließt, kann sich heilend auf Erkrankungen der Atemwege auswirken.

Geologisch entstand das Salz vor rund 30 Millionen Jahren. Damals verdunstete langsam das Meerwasser, das vor etwa 45 Millionen Jahren durch den Einbruch des Oberrheingrabens ins so entstandene Becken eingeflossen war. Das Ufer lag seinerzeit in etwa auf dem Niveau des heutigen Haardtrandes. Durch das Verdunsten erhöhte sich die Salzkonzentration des Meeres immer mehr. Am Ende fiel es als festes Steinsalz aus, das über die Jahrtausende von Ablagerungen bedeckt wurde. Heute liegt es tief unter der Erde, wird vom darüber fließenden Grundwasser aufgenommen und kommt - von Pumpen gefördert - in Quellen nach oben.

Der heutige Kurbetrieb hat seinen Ursprung vor über 2500 Jahren. "Die Dürkheimer sind schon immer ideenreich und haben frühzeitig Dinge erkannt, die sich ändern", erklärt Dr. Britta Hallmann-Preuß, die Leiterin des Stadtmuseums Bad Dürkheim. Im komplett neu gestalteten Haus lässt sich die Historie anschaulich erkunden. Zu Beginn stand bei den Kelten die Salzgewinnung im Mittelpunkt. Salz wurde nicht nur zum Würzen genutzt. Es war durch seinen Einsatz bei der Konservierung von Lebensmitteln, als Futterzusatz in der Viehwirtschaft und die Verwendung bei der Glasproduktion sowie beim Färben und Gerben ein begehrtes Wirtschaftsgut. Dies blieb auch viele Jahre später im 17. und 18. Jahrhundert so. In bis zu sechs Gradierwerken war die Saline eine Art eigenes Dorf.

Die aufwendige Salzgewinnung war Mitte des 19. Jahrhunderts aber nicht mehr wirtschaftlich. Der Wandel hin zum Kurbetrieb begann. 1872 wird der Bad- und Salinenverein gegründet. Heil- und Solebäder, Trink- und Atemkuren folgen. Seit November 1904 darf Bad Dürkheim, genehmigt von Prinzregent Luitpold, den Titel Bad führen. Hier beginnt die Tradition, die Basis für den heutigen Wellness- und Kurbetrieb ist. Und seit 2011 wird auch wieder Salz gewonnen. Mit seinen einzigartigen Mineralstoffen gilt das "Dürkheimer Gold" als exquisites Speisesalz.

Das Einatmen der salzigen Luft in den Wandelgängen des Gradierbaus entfaltet eine wohltuende Wirkung auf die Atemwege.

Im Anschluss

Triftholz

Noch heute gibt es im Pfälzerwald einige Wasserkanäle, die im 19. Jahrhundert zum Holztriften benutzt wurden und jetzt auf Wanderwegen zu erleben sind. Bei Elmstein lädt der neu eröffnete Trifterlebnispfad zur Wanderung durch die Geschichte ein. Die historische Figur des Triftknechts Johann König, per App zum Leben erweckt, vermittelt dazu viel Wissenswertes.

Ein weiteres lohnenswertes Ziel ist der Triftweg am Kaltenbach bei Rinnthal.

12° C

Im Hainbachtal bei Gleisweiler findet sich die einzige historische Walddusche Deutschlands. 1848 von einem örtlichen Arzt erbaut und in den 1990er Jahren instand gesetzt, führt die Anlage acht bis zwölf Grad kaltes Wasser. An heißen Sommertagen herrscht reger Betrieb von mutigen Waldduschern.

Rast am blauen Band

Seit 1730 sorgte der Isenachweiher für einen konstanten Wasserzufluss zur Pumpe des Dürkheimer Gradierbaus. Heute kann man von hier aus zu Wanderungen in den Pfälzerwald starten oder eine Rast am oder auf dem See genießen.