Gästeführung in Leinsweiler
"Wer will, darf eine Runde schwimmen gehen", sagt Gudrun Stübinger-Kohls, Kultur- und Weinbotschafterin der Pfalz, und hat uns - eine Gruppe junger und nicht mehr ganz so junger genuss- und naturbegeisteter Leute aus der Pfalz und aus Hessen - schon für sich vereinnahmt. Der vermeintliche Badeort ist nämlich der historische Dorfbrunnen von Leinsweiler. Hier mitten in dem beliebten Dörfchen an der südlichen Weinstraße startet Stübinger-Kohls mit ihrer Wanderung. Auf der zweieinhalbstündigen Rundtour stehen: der Ort selbst, die Weinberge, ein berühmter Maler und - ganz viel Genuss.
Text & Fotos: Pfalz.Touristik
Aus drei Röhren fließt das Wasser in die aus rotem Sandstein gehauenen Becken. Nur ab und zu wird das Plätschern von Autos unterbrochen, die entlang der durch den Ort führenden Deutschen Weinstraße cruisen. Die Versuchung, das aus Quellen des Pfälzerwaldes stammende Wasser, zu probieren, ist groß, wäre da nicht die Aussicht auf ein Gläschen Winzersekt, das Stübinger-Kohls wenige Minuten später servieren wird.
"Leinsweiler, oder Leesweiler, wie die Einwohner sagen, verdankt seinen Namen der schönen Landswinda. Ein fränkischer König gab ihr im 8. Jahrhundert den Ort zum Lehen", sagt Stübinger-Kohls und führt uns ein paar Schritte die Trifelsstraße hoch. Würden wir jetzt einfach weiterlaufen, stünden wir eine Stunde später vor Burg Trifels. Doch wir machen erst einmal Halt. Wüssten wir nicht, dass wir in einem Weinort sind, die vielen Torbögen der Häuser links und rechts würden einen Hinweis geben: Motive wie Weinreben, Amphoren und Sesel, also Winzermesser, zieren ihre Abschlusssteine. Und dann sind da noch die Weinreben, die die Mauern hoch und über die Straße hinweg zur anderen Seite ranken. "Die Hausreben sehen nicht nur schön aus. Früher wurde daraus der Hauswein gemacht. Viel wichtiger aber: Ihre Wurzeln reichen bis zehn Meter tief. Sie ziehen die Feuchtigkeit aus dem Sandstein-Mauerwerk der Häuser und sorgen so für trockene Keller."
Mildes Klima, mediterrane Pflanzen
Nur ein paar Schritte weiter und schon stehen wir im von Zitronenbäumen und Oleander umsäumten Innenhof des Weinguts Stübinger, dem Elternhaus der sympathischen Pfälzerin. "Das Klima in der Pfalz ist so mild, dass hier sogar Oliven- und Feigenbäume wachsen", sagt Stübinger-Kohls und reicht Erdbeeren und mit Riesling-Sekt gefüllte Gläser herum. Wir stoßen an und selbst jene, die ob der bevorstehenden Wanderung und dem Alkohol Bedenken äußerten, lassen keinen Tropfen übrig.
Eine schmale Gasse weist uns den Weg hoch Richtung Weinberge. Betörender Rosenduft liegt in der Luft. "Früher standen in jedem Wingert Rosenstöcke. Sie sind noch anfälliger für Mehltau als die Reben. Wenn also die Rosen von dem weißen Belag befallen waren, wussten die Winzer, dass es Zeit ist, sich um die Reben zu kümmern", erklärt Stübinger-Kohls, rückt ihren kecken Strohhut zurecht und läuft voran zur Martinskirche. "Hier hat der bedeutende Impressionist Max Slevogt, der viel Zeit in der Pfalz verbrachte, 1898 Antoine Finkler geheiratet. Ihrem Vater gehörte der heutige Slevogthof, zu dem wir noch kommen." Die schlichte Dorfkirche mit der - unbedingt anschauen - malerischen Rückseite überrascht mit einem klangvollen Detail. "Wir haben wie die Elbphilharmonie eine Klais-Orgel. Gut, die Pfeifen sind kleiner und es sind auch ein paar weniger, aber die Akustik ist so brillant, dass regelmäßig Konzerte stattfinden." Bevor es weiter geht, öffnet die Pfälzerin ein Kistchen mit feinsten Chassis-Trüffelpralinen. Die in der Manufaktur Rebmann aus Bad Bergzabern mit besten Zutaten hergestellten Schokoladen-Köstlichkeiten schmelzen förmlich auf der Zunge.
Kleiner Ort, große Weine
Jetzt aber in die Wingerte. Früher war quasi jeder Leinsweilerer auch Winzer. Heute gibt es in dem 430 Einwohner zählenden Ort noch sechs Weingüter. "Winzer müssen heute ein Gespür dafür haben, was die Leute morgen trinken wollen. Es dauert mindestens drei Jahre, bis ein neu gepflanzter Wingert den ersten Ertrag bringt. 30 bis 35 Jahre bleibt er dann bestehen." Die Leinsweiler Böden sind vielfältig - Buntsandstein, Muschelkalk und Lehm-Löss - und die Weine schon seit langem bliebt. Bereits 1238 wird die Lage Kirchholz erwähnt. In den 1930er-Jahren wurden die feinen Tropfen aus der Südpfalz auf Kreuzfahrtschiffen getrunken und der Sonnenberg, auf dem wir gerade stehen, zählt zu den großen Lagen.
Die Nachmittagssonne taucht den verträumten Ort, die sanften Hügel und Wingerte um uns in zauberhaftes Licht. Von Südwesten weht eine angenehme Brise. Die Pfalz zeigt sich, wir haben nichts anderes erwartet, von ihrer besten Seite. Wir wandern ein Stück den Pfälzer Mandelpfad entlang, jenem 76 Kilometer langem Wanderweg, der sich vom Deutschen Weintor in Schweigen-Rechtenbach mitten durch die Weinberge bis nach Bad Dürkheim zieht. Von dem rosafarbenen Blütenmeer ist jetzt im Sommer zwar nichts mehr zu sehen, dafür dürfen wir Mandelspezialitäten kosten. Stübinger-Kohls hat selbst gemachte Rauch- und Salzmandeln und einen sehr süffigen Mandelblütenlikör vom ortsansässigen Weingut Schäfer mitgebracht. "Die Pfälzer Krachmandeln stammen von den weiß blühenden Bäumen. Sie sind im Gegensatz zu den Bittermandeln der rosa blühenden Bäume essbar." Ach ja, die Mandel ist eine Steinfrucht und keine Nuss, erfahren wir. "Auch die Mandelbäume haben eine lange Tradition in den Weingärten. Sie spenden Schatten, aber ihre schmalen Blätter lassen noch genügend Licht für die Reben durch. Um Einkommen und Ernährung sicherzustellen, gab es früher Anordnungen, Mandelbäume anzupflanzen."
Grandiose Aussicht, himmlischer Genuss
Wir wollen noch höher hinaus und wandern bis zum Slevogthof unterhalb der Burg Neukastell. Von hier aus könnten wir weiter auf dem 172 Kilometer langen Premium-Fernwanderweg Pfälzer Weinsteig oder dem neuen Slevogt-Wanderweg gehen. Beide setzen wir auf unsere Wanderziel-Wunschliste. "Slevogt", erklärt Stübinger-Kohls, "hat mit seiner Malerei die Pfalz in die Welt getragen. Leinsweiler war seine Wahlheimat. Hier auf dem Slevogthof befindet sich auch seine Grabstätte." Nach Grab anschauen ist uns jetzt weniger, wir genießen vielmehr den grandiosen Blick auf die Madenburg und die Rheinebene und machen uns dann auf den Rückweg. Ein paar von uns sind schon vorangegangen und warten an der kleinen Tafel, die Stübinger-Kohls im Schatten eines Baumes gedeckt hat. "Wow, wie lecker. Das kannte ich ja noch gar nicht" dringt es zu uns rüber. Gemeint ist Pfälzer Dubbes, eine Kräutermischung der Wonnegauer Ölmühle aus gerösteten Mandeln, Nüssen und Gewürzen, die mit in Rapsöl getunktem Brot himmlisch schmeckt. Ebenso nach mehr schmeckt das angekündigte Kastanienpesto. Und wie kann es anders sein: Ein Schoppeglas mit Portugieser-Weißherbst-Schorle wird - wir sind in der Pfalz! - von Teilnehmer zu Teilnehmer gereicht.
Beschwingt spazieren wir zurück zum Ausgangspunkt. Nun doch das Wasser aus dem Brunnen probieren? Kommt gar nicht infrage, schließlich liegen uns noch die Aromen der Pfälzer Köstlichkeiten auf der Zunge und die möchten wir möglichst lange genießen.